“Wenn du etwas machst, dann mach es gefälligst richtig!” In diesem Satz steckt neben der Motivation zum Perfektionismus auch eine mögliche Gefahr für die Kreativität.

Ein neues Projekt

Der Entschluss, einen Blog zu starten, entstand aus einer eher spontanen Idee. Ich hatte mich bereits seit Jahren mit den Themen Minimalismus und Nachhaltigkeit sowie Methoden für ein besseres, einfacheres und zufriedenes Leben beschäftigt.

Ich fand, es war an der Zeit, nun auch andere an meinem gesammelten Wissen und meinen Eindrücken teilhaben zu lassen. “Sharing is caring” dachte ich mir. Dies könnte meine Art sein, einen Eindruck in dieser Welt zu hinterlassen. Es war eine Chance, das Leben anderer Menschen positiv zu beeinflussen.

Also machte ich mich auf, recherchierte und informierte mich über all die Dinge, die es zu lernen gab. Welche Plattform sollte ich verwenden? Wie sollte die Website gestaltet werden? Worüber wollte ich eigentlich schreiben? Und wie lang sollte so ein Blog-Post überhaupt sein?

Wie sich herausstellte, war besonders die letzte Frage das, was die meisten zu interessieren schien und zugleich auch das, worauf niemand eine konkrete Antwort wusste.

Ich richtete alles ein, so gut ich eben konnte und begann einfach, zu schreiben. Positives Feedback meiner “Testleser” zu den ersten Artikeln ermutigte mich, meine Texte tatsächlich mit der großen weiten Welt zu teilen - oder wahrscheinlich nur Deutschland, aber das sollte doch auch reichen.

Der Druck steigt

Doch dann geschah etwas Merkwürdiges. Die positiven Rückmeldungen und die Aussicht, dass von nun an unter Umständen unzählige Menschen das lesen konnten, was ich sprichwörtlich zu Papier gebracht hatte, sorgten für einen Druck, mit dem ich nicht gerechnet hatte.

An guten Ideen mangelte es mir nicht. Fast täglich kamen neue hinzu, die Liste meiner Themen wurde immer länger. Doch obwohl ich erst einen Bruchteil davon zu Artikeln verarbeitet hatte, graute mir schon ganz am Anfang vor dem Tag, an dem mir keine neuen Themen mehr einfallen würden.

Dazu kamen Bedenken darüber, nicht all die Artikel auf meiner langen Liste in der gleichen Qualität abliefern zu können. Ich fürchtete, meiner zukünftigen Leserschaft nicht gerecht zu werden.

Auf einigen Seiten las ich, dass am Besten täglich etwas gepostet werden sollte, damit man nicht in Vergessenheit geriet. Andere schrieben von Redaktionsplänen, sodass ich im Oktober bereits wusste worüber ich im März schreiben würde.

Es gab furchtbar viele Standards, die eingehalten sollten, um ein erfolgreicher Blogger zu werden. Ich war leicht überfordert.

All meine Befürchtungen bezüglich der Erwartungen meiner zu diesem Zeitpunkt noch sehr hypothetischen Leserschaft. All die Anforderungen, die diese neue Aufgabe mit sich zu bringen schien. Mich überkamen Zweifel darüber, ob ich diesen Weg wirklich gehen wollte.

Es wurde deutlich, dass diese Zweifel meine ursprünglich große Begeisterung äußerst negativ beeinflussten. Wie wollte ich aber anderen Menschen Wege für ein stressfreies und zufriedenes Leben aufzeigen, während ich selbst dem Erwartungsdruck erlag?

Was will ich eigentlich?

Also versuchte ich, die Situation rational zu betrachten: Das Projekt “Blog” war meine ganz persönliche Entscheidung gewesen. Es entstand aus dem Wunsch, einfach mal etwas Neues auszuprobieren, meinen Horizont zu erweitern.

Mein eigentliches Ziel war nicht, unbedingt ein “erfolgreicher Blogger” zu werden, sondern einfach nur, andere Menschen zu inspirieren. Meine Bedenken, dieses Ziel nicht zu erreichen, waren somit völlig unbegründet.

Bei der Angst vor dem Versagen ist es oft hilfreich, sich darauf zurückzubesinnen, was man für sich ursprünglich als Erfolg definiert hatte.

Man stelle sich einen Marathonläufer vor, der die magische 4-Stunden-Marke knacken will. Er trainiert monatelang für dieses Ziel. Am großen Tag fühlt er sich besonders fit und stellt sich vor, was seine Freunde wohl sagen würden, wenn er den Lauf sogar in 3 Stunden und 30 Minuten absolvierte.

Er erreicht die Ziellinie nach 3 Stunden und 45 Minuten und ist enttäuscht. Zwar ist er 15 Minuten besser als erwartet, aber doch 15 Minuten schlechter als das, was er gern seinen Freunden berichtet hätte.

Dass keiner seiner Freunde überhaupt je eine Erwartung an seine Zeit hatte und alle schlichtweg darüber begeistert waren, dass er überhaupt einen Marathon absolviert hatte, kam ihm nicht in den Sinn.

Woher kommen die Erwartungen?

Mir ging es ganz ähnlich wie dem Marathonläufer. Ich hatte gerade erst zu schreiben begonnen und war auf einem guten Weg, mein selbst gestecktes Ziel zu erreichen.

Es gab keine Stammleser, die regelmäßig qualitativ hochwertige Artikel erwarteten. Zudem hatte ich noch gar nicht genug Artikel verfasst, um von nachlassender Qualität sprechen zu können.

All meine Befürchtungen beruhten also darauf, dass ich glaubte, irgendjemand könnte irgendwann mit meiner Arbeit nicht zufrieden sein, obwohl es bisher überhaupt keine Anzeichen dafür gab. Die einzige Person, die mir Stress verursachte, war ich selbst.

Häufig kommen der größte Druck und die höchsten Erwartungen nicht von außen, sondern haben ihren Ursprung tief in uns. Ganz getreu des einleitenden Sprichworts wollte ich alles richtig machen, doch genau darin lag mein Fehler.

Warum “perfekt” nicht immer perfekt ist

Perfektionismus ist ein zweischneidiges Schwert. Es kann sich gleichermaßen gut und schlecht auf unsere Arbeit auswirken.

Es gibt Bereiche, in denen absolut perfekte Ergebnisse unerlässlich sind. Wer würde schon gern eine Brücke betreten, deren Ingenieure ihr Projekt für “gut genug” befunden haben? Und auch ein Pilot, der seine Gäste mit den Worten begrüßt, er würde dieses Flugzeug mittlerweile ganz gut beherrschen, wird seine Reise aller Voraussicht nach allein antreten dürfen.

In den allermeisten Fällen ist es jedoch keinesfalls absolut notwendig, unbedingt perfekt zu sein. Das Streben nach Perfektion kann ein durchaus nützlicher Ansporn für Höchstleistungen sein. Wenn allerdings die Angst davor, den eigenen oder fremden Idealen nicht zu entsprechen, dazu führt, dass jegliche Ambitionen im Keim erstickt werden, sollten diese Ideale hinterfragt werden, um eine gute Balance zu finden.

Premature optimization is the root of all evil

- Donald Knuth -

Was passiert, wenn ich versage?

Wie sieht es mit diesem Blog aus? Was würde passieren, wenn meine Ergebnisse nicht perfekt sind oder eben nicht den Standards entsprechen? Was wäre, wenn den Lesern meine Art zu schreiben oder das Design meiner Website missfällt? Was, wenn ich negative Reaktionen auf meine Artikel erhalte?

Das Hauptthema dieses Blogs ist die Loslösung von äußeren Zwängen und damit verbunden die Definition eigener Standards. Somit liegt die Antwort hier auf der Hand: ich lasse konstruktive Kritik soweit einfließen, wie ich sie mit meinen eigenen Vorstellungen vereinbaren kann und schreibe einfach weiter.

In keinem Tätigkeitsfeld wird man ausnahmslos jeden zufriedenstellen können. Sobald diese Erkenntnis einmal richtig verinnerlicht wurde, lässt es sich viel freier und somit gleichzeitig besser arbeiten.

Was, wenn ich es nicht schaffe, jede Woche mindestens einen Artikel zu veröffentlichen?

Bei einem Blog geht es wie fast überall nicht darum, jemand anderem oder starren Vorgaben bedingungslos zu folgen. Es geht darum, sich selbst zu entwickeln, den eigenen Weg, den eigenen Rhythmus zu finden und seinen ganz persönlichen Beitrag zu leisten.

Was, wenn mir schlicht die Ideen für neue Artikel ausgehen?

Nicht alle Projekte in unserem Leben werden wir erfolgreich beenden können. Es wird Fehlschläge geben und wir müssen lernen, damit umzugehen. Scheitern ist kein Zeichen von Schwäche. Es zeugt davon, dass man den Mut hatte, es zu versuchen. Das ist mehr, als viele Kritiker von sich behaupten können.

I never lose. I either win or I learn.

- Nelson Mandela -

In jedem einzelnen Projekt - erfolgreich oder nicht - sammeln wir wertvolle Erfahrungen. Sie formen unseren Charakter, machen uns stärker und helfen uns bei allen weiteren Herausforderungen.

Alles halb so wild

Wir neigen dazu, die Erwartungen anderer Menschen mit unseren eigenen zu verwechseln und sehen Probleme, wo gar keine sind. Unser Drang zum Perfektionismus verschärft dieses Problem oft nur, statt uns zu helfen.

Wir müssen uns von dem Gedanken befreien, es allen Recht machen zu müssen. Wir dürfen keine Angst davor haben, Fehler zu machen. Erst dann können wir ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben führen.