Die eigene Einstellung zu hinterfragen und als gegeben angenommene Ansichten anhand der eigenen Persönlichkeit gegebenenfalls anzupassen oder neu zu sortieren, sind essentielle Bestandteile für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit.
Was uns im Leben wichtig ist, ändert sich in dessen Verlauf immer wieder. Daher ist es sinnvoll, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob es tatsächlich noch an den eigenen Werten ausgerichtet ist.
Die Definition eigener Prioritäten ist wie so häufig ein höchst individueller und persönlicher Prozess. Wo bin ich? Wo will ich hin? Und welches sind die wichtigsten Schritte, um diesen Ort zu erreichen? Diese Fragen sollten so weit es geht möglichst selbstständig beantwortet werden.
Prioritäten als Entscheidungshilfe
Doch auch ohne Anpassung tut es gut, sich darüber bewusst zu sein, was man eigentlich will. Es verschafft enorme innere Gelassenheit und sorgt dafür, dass man, wenn es darauf ankommt oder gar im Ernstfall, schneller die besseren Entscheidungen treffen kann.
Wenn wir noch immer täglich eine Stunde im Fitnessstudio verbringen, um Gewichte zu stemmen, obwohl wir bereits seit Längerem stattdessen lieber zweimal wöchentlich durch den Wald joggen würden, haben wir eine zeit- und kostenintensive Fehlausrichtung, die uns mehr belastet als sie uns nützt und schnellstens korrigiert werden sollte.
Du hast dir vorgenommen, mehr zu sparen, um dir im nächsten Jahr diese Reise leisten zu können, von der du schon so lange träumst? Dann siehst du plötzlich ein wunderschönes Kleid im Schaufenster. Es ist nur heute im Angebot, würde deine Pläne allerdings um Monate zurückwerfen. Was tust du?
Du wolltest eigentlich dir eigentlich einen ruhigen Abend machen, um dich von einer stressigen Woche zu erholen? Doch dann rufen deine Freunde an und laden dich zu einer Party ein. Ausgehen oder ausspannen?
Je nachdem, welchen Stellenwert du der Reise oder deiner Regeneration in deinem Leben zuteil werden lässt, kann die Entscheidung in die eine oder die andere Richtung gehen. In jedem Fall aber kannst du sie treffen, und zwar in wenigen Augenblicken und ohne anschließende Zweifel oder ein schlechtes Gewissen.
Die Ordnung im Chaos
Die unterschiedlichsten Erwartungen greifen von allen Seiten nach unserer Aufmerksamkeit und drohen in vielen Fällen, uns zu zerreißen. Als wäre es nicht genug, einfach nur ein ruhiges Leben zu führen, gilt es als selbstverständlich, dass wir uns sportlich fit halten, um künstlichen Idealen zu entsprechen, dass wir politisch und wirtschaftlich jederzeit auf dem neuesten Stand sind und wir auf keinen Fall die letzten Facebook-Einträge verpasst haben, um morgen auch noch kommunikationsfähig zu sein.
Nur allzu leicht können diese Erwartungen die eigenen Kapazitäten überfordern und jeder Tag wird schleichend mehr und mehr zu einer einzigen großen Belastung. Dabei ist uns oft nicht unmittelbar ersichtlich, weshalb wir uns so unwohl fühlen. Wir tun doch alles für ein gutes Leben und trotzdem will sich keine wirkliche Freude dafür einstellen.
Wir tun alles und sind damit so sehr beschäftigt, dass wir vollkommen übersehen, wie wichtig eine sinnvolle Selektion wäre. Wir suchen unser Glück überall, doch genau darin liegt das Problem, denn glücklich wird am Ende nur, wer Prioritäten setzen kann.
Das Leben als einzigartige Reise
Prioritäten für mein Leben zu setzen, gestaltet sich wie die Planung einer großen Reise in ein mir unbekanntes Land. Mir bleiben genau einhundert Tage, um diesen Trip zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen, denn ich werde dieses Land kein zweites Mal besuchen können.
Ich könnte nun einfach ohne jegliche Vorplanung losfahren und mich davon überraschen lassen, was das Land mir zu bieten hat. Bei all der Freiheit und Unabhängigkeit, die ich auf diese Weise erfahren würde, blieben mir jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Vielzahl der großartigsten Plätze verborgen.
Also entscheide ich, mich ein wenig zu informieren. Ich durchforste das Internet nach empfohlenen Zielen, unterhalte mich mit Menschen, die dieses Land bereits besucht haben und komme so schnell auf eine lange Liste mit einhundert Orten, die ich nach Aussage der Befragten unbedingt sehen müsste.
Würde ich diese Liste befolgen, könnte ich in meinen genau einhundert Tagen das gesamte Land sehen. Ich wäre jeden Tag woanders und könnte so die größtmögliche Zahl von Eindrücken sammeln, die in dieser begrenzten Zeit machbar ist. Klingt spannend, aber auch sehr anstrengend.
Ein solcher Urlaub, der lediglich dazu dient, so viel wie möglich kennenzulernen, bewirkt in der Regel genau das Gegenteil. Man ist überall und erlebt doch nichts wirklich intensiv, weil man sich immer nur auf dem Sprung befindet.
Ich frage mich also, was mich selbst dort wohl mich am meisten interessieren würde. Ich schaue mir alle Informationen noch einmal genau, beherzige die Ratschläge derer, die ich um ihre Einschätzung gebeten hatte und stelle mir meine ganz persönliche Route zusammen.
Warum sollte ich “all die großartigen” archäologischen Museen besuchen, wenn ich meine Zeit viel lieber damit verbringe, durch die Straßen zu schlendern und mich mit den Einheimischen zu unterhalten, um ihre Kultur zu erfahren? Warum sollte ich den höchsten Berg besteigen, wenn mich das Wandern noch nie begeistert hat und ich stattdessen eine Radtour entlang der wunderschönen Küste unternehmen könnte?
Auf meiner Liste stehen am Ende meiner Vorbereitungen nur noch zwanzig Orte, sodass ich jeden von ihnen wesentlich besser kennenlernen kann. Mir bleibt viel mehr Zeit zum Erkunden und Genießen, da ich nicht die Hälfte davon damit verbringe, meine Sachen aus- und wieder einzupacken.
So beende ich nach hundert Tagen meine Reise vollkommen entspannt und zufrieden. Ich konnte tiefe Eindrücke sammeln, die anders kaum möglich gewesen wären und die es mir gestatten, nicht nur die Erfahrungsberichte der anderen zu wiederholen, sondern meine ganz persönliche Geschichte zu erzählen.