Die Frage nach dem Sinn des eigenen Daseins ist sehr wahrscheinlich so alt, wie die Menschheit selbst. Wer bin ich? Warum bin ich hier? Was ist meine Aufgabe? Wie hinterlasse ich einen bleibenden Eindruck in dieser Welt?

Die Zeiten haben sich geändert

Im Vergleich zur Gegenwart war die Beantwortung dieser Frage für einen Bauern im Mittelalter wohl noch recht einfach. Seine Aufgabe bestand darin, für genügend Nahrung zu sorgen, um seine Familie über den Winter zu bringen. Das Leben war zweifellos hart und doch war es im Hinblick auf die Frage nach einem Sinn recht simpel. Es ging um die bloße Existenz, um das Überleben und es gab nicht viele Gelegenheiten, sich auf andere Weise zu verwirklichen.

Glücklicherweise haben sich diese Umstände, zumindest in einem Land wie Deutschland, für die meisten Menschen zum Besseren gewandelt. Für die allermeisten von uns geht es nicht mehr nur darum, von einem Tag zum anderen und von einem Jahr in das nächste zu kommen. Damit wurde uns eine große Last genommen.

Heute leben wir in einer Zeit, die uns viele Annehmlichkeiten und Sicherheiten verschafft. Auch wenn es bei all der Kultur des Klagens in Deutschland nicht den Anschein macht, geht es uns doch verhältnismäßig gut. Wir hätten die Möglichkeit, unsere Tage auf dieser Welt weitestgehend frei von größeren Sorgen zu verbringen.

Der Mensch will mehr

Jedoch liegt es nicht in der Natur des Menschen, dauerhaft einfach nur zufrieden zu sein. Denn all die Sicherheit, das weitgehende Fehlen existenzieller Sorgen und die daraus resultierende größere Freiheit führen dazu, dass die Suche nach dem Sinn des Lebens, die für den Bauern im Mittelalter noch so geradlinig verlief, sich als viel komplexer und tiefgründiger erweist und oft unfreiwillig zu einer neuen Belastung wird.

Irgendwann stellt sich jeder einmal die Frage, wie man die begrenzte Zeit, die uns auf dieser Welt bleibt, am sinnvollsten nutzen kann. Wir wollen unseren Abdruck auf ihr hinterlassen. Wir wollen, dass man sich an uns erinnert.

Die größte Angelegenheit des Menschen ist, zu wissen, wie er seine Stelle in der Schöpfung gehörig erfülle und recht verstehe, was man sein muss, um ein Mensch zu sein.

- Immanuel Kant -

Wir sind gefangen im Alltag, eingeengt zwischen Terminen und all den Verpflichtungen. Ein Tag gleicht dem anderen und wir fühlen uns dauerhaft gestresst. In einem seltenen Moment der Ruhe fragen wir uns: “Soll das alles sein? Ist es das, wofür ich hier bin?”

Wir suchen nach Wegen, der Routine zu entkommen. Doch diese sind nicht nur äußerst schlecht beschildert, sie führen außerdem nur allzu oft in eine Sackgasse. Die schiere Zahl der möglichen Abzweigungen trägt ihren Teil dazu bei, die Suche noch weiter zu erschweren.

Es kann zur unerwarteten Herausforderung werden, seinem Leben eine höhere Aufgabe zuteil werden zu lassen, die ohne die richtige Herangehensweise sogar dazu führen kann, dass man gerade keinen Ausweg aus dem Hamsterrad findet, sondern seinen ohnehin zahlreichen Verpflichtungen ungewollt eine weitere hinzufügt.

Falsche Ideale

So wandelt sich der eigentlich wohlwollend geäußerte Satz vieler Eltern “Du kannst alles erreichen” leider gerade durch die immer vielfältigeren Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten und zu bereichern, und dem daraus resultierenden Gefühl, diese auch nutzen zu müssen, häufig zu einem eher drohenden “Du solltest alles erreichen!”.

Gerade in Deutschland leben wir in einer Gesellschaft, in der Zufriedenheit und die Abwesenheit von Beschwerden schnell als Faulheit und Nutzlosigkeit angesehen werden. Nichts ist je genug. Noch bevor ein Ziel erreicht wurde, sollte bestenfalls bereits das nächste gesteckt worden sein.

Unsere Freunde, die Familie und dank Internet und Social Media sogar völlig Fremde gelten für uns als Maßstab für das, was wir erreichen müssen. Wir richten unser Streben danach aus, was andere tun und an dem, wovon wir glauben, dass andere es von uns erwarten. Viel zu tun ist gut, mehr zu tun kann demnach nur besser sein!

Wir laufen also den Anderen auf ihren verschiedensten Wegen hinterher und versuchen, so viele von ihnen wie möglich zu überholen. Dass wir dabei die völlig falschen Schuhe tragen, die uns daran hindern, unsere Vorläufer überhaupt zu erreichen, kommt uns während unserer Hast natürlich nicht in den Sinn.

Was wir bräuchten, wäre eine Rast am Wegesrand, um durchzuatmen, uns umzusehen und diejenigen Pfade zu entdecken, für die wir gut ausgerüstet sind und die wir dann in unserem selbstgewählten Tempo gehen können.

Sinn und Unsinn

Während diese Pfade für die Einen relativ leicht erkennbar sind, suchen andere Monate, Jahre oder gar ihr ganzes Leben danach - oft erfolglos. Die meisten beginnen die Suche nach ihrem persönlichen Sinn mit der Vorstellung, Großes zu leisten. Hunger und Armut sollen besiegt, die Eisbären vor dem Aussterben gerettet und ganz nebenbei auch noch der Krebs geheilt werden. Sie wollen, dass die Welt ihren Namen kennt.

Selbstverständlich sind all dies äußerst ehrenwerte Ziele. Doch der unablässige Drang, nach dem Höchsten zu streben, sorgt oft dafür, dass all die anderen geleisteten Beiträge durch den viel zu großen Maßstab unwichtig und wertlos erscheinen. Dies wiederum führt für viele zu Frustration und damit in eine weitere Sackgasse, in der sie ähnlich gefangen sind, wie in der Routine, der sie zu entkommen versuchten.

Ein gutes Maß

Nicht jeder von uns ist dazu bestimmt, die ganze Welt zu verändern, eine Rakete auf den Mond zu schicken oder Krankheiten zu heilen. Nicht jeder von uns wird einmal Präsident werden und nicht für jeden von uns ist ein Platz in den Geschichtsbüchern reserviert.

Und das ist okay. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Einzelne seine ganz persönliche Aufgabe in dieser Welt hat. Diejenigen, die sie nicht finden können, schauen meist nur nicht genau hin oder erkennen ihre Aufgabe nicht als solche.

Warum ist es nicht genug, der Vater zu sein, der seinem Kind dabei hilft, zu einem guten Menschen heranzuwachsen? Ist es nicht ehrenhaft, dieser Freund zu sein, auf den man sich immer verlassen kann? Es sind oft die kleinen, unscheinbaren Dinge, die einen viel größeren Eindruck hinterlassen, als uns bewusst ist.

Was nützt die Suche nach dem Sinn des Lebens, wenn dabei vergessen wird, tatsächlich zu leben?

Das Ziel jedes Menschen sollte es sein, ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen, auf das man jederzeit gern zurückschaut mit dem beruhigenden Gefühl, die Welt für sich und andere zu einem besseren Ort gemacht zu haben.

Der Schlüssel, dieses Ziel zu erreichen, liegt nicht darin, einem unerreichbaren Ideal nachzujagen, weil ein anderer dies tut. Es gilt, den eigenen, realistischen Maßstab, das eigene Tempo für den ganz persönlichen Weg zu finden, auf dem jeder seinen individuellen Beitrag leisten kann.