Von Klein auf sind wir stets umgeben von Menschen, die uns leiten, weil sie davon überzeugt sind, sie wüssten, was das Beste für uns ist. Während dies in vielen Situationen äußerst hilfreich sein kann, uns auf der unübersichtlichen Karte des Lebens zurechtzufinden, resultiert es oft auch darin, dass wir unseren eigenen Weg verlassen und das Leben eines anderen führen.
Fremdgesteuert
Es beginnt natürlich mit unseren Eltern. Mangels eigener Erfahrung lernen wir von ihnen, was wir zu denken, wem wir zu folgen und wie wir uns zu entwickeln haben. Dies bildet das Grundgerüst unserer Persönlichkeit, welches uns in den ersten Jahren am stärksten prägt und uns meist unser gesamtes Leben begleitet.
In der Pubertät erleben wir dann das kurze Aufbegehren eines vermeintlich eigenen Willens, in dem wir die Lehren unserer Eltern radikal in Frage stellen oder sogar vollständig ablehnen. Wir wollen die Freiheit und suchen uns schlussendlich meist trotzdem nur unreflektiert ein anderes Vorbild, dem wir ebenso blind folgen, wie unseren Eltern zuvor.
Die Rebellion verblasst, die ursprünglichen Leitbilder kehren zurück und nach einigen kleineren Auseinandersetzungen halten wir uns am Ende doch an den scheinbar logischen Rat unserer Eltern, etwas “Anständiges” aus unserem Leben zu machen, statt dem eigenen, für unvernünftig erklärten Traum nachzugehen.
Die folgenden Jahre verbringen wir also damit, uns Wissen über Themen anzueignen, die zwar durchaus vernünftig sind, jedoch fernab dessen liegen, was wir uns eigentlich für unsere neugewonnene Freiheit vorgestellt hatten.
Haben wir die Zwänge des Schulsystems endlich verlassen, bereit, unser Leben nun selbst in die Hand zu nehmen, stehen wir direkt vor dem nächsten Problem: wie machen wir nun am schnellsten Karriere? Denn ohne Karriere wird man nur schwerlich reich und das ist es doch, worauf alles hinauslaufen soll - zumindest machen es offenbar alle anderen so.
Nach jahrzehntelanger ermüdender Arbeit setzen wir uns schließlich zur Ruhe. Wir sind unzufrieden, haben jeglichen Elan verloren und wissen nicht, was wir mit all dem hart verdienten Geld anfangen sollen. Wir fragen uns, wo die Jahre geblieben sind und wünschen uns, noch einmal von vorn anfangen zu können, um doch alles ganz anders zu machen.
Das Leben steckt voller Erwartungen
Wie sind wir in diese Situation gekommen? Wir haben unser Leben bestimmen lassen von den Erwartungen anderer Menschen. Tagtäglich stehen wir unzähligen von ihnen gegenüber und versuchen, den meisten von ihnen so gut es eben geht gerecht zu werden.
Wie sollte ich mich kleiden? Wie drücke ich mich am besten aus? Ist es akzeptabel, diese Sonnenbrille in diesem Auto zu tragen? Ist es überhaupt akzeptabel, dieses Auto zu fahren? Fragen dieser Art stellen sich uns regelmäßig.
Im Laufe des Lebens erhöht sich ihre Menge stetig immer weiter, bis sie irgendwann möglicherweise dazu führen, dass man die eigene Identität verliert. Wer die so simpel erscheinende Tatsache nicht erkennt, dass man es nicht jedem Recht machen kann, wird unweigerlich zu einer Marionette der Anderen.
Es ist besser, für den gehasst zu werden, der man ist, als für die Person geliebt zu werden, die man nicht ist.
Unsere Entscheidungen, von denen wir meinen, sie völlig frei zu treffen, basieren letztlich doch auf dem Wunsch, den Ansprüchen dieser Anderen zu genügen. Wir wollen möglichst wenig Aufsehen erregen und sind stets bemüht, sie nicht zu enttäuschen. Dabei vergessen wir jedoch, dass es nur einen einzigen Menschen gibt, den wir niemals enttäuschen sollten: uns selbst.
Wähle deinen eigenen Kurs
Zu viele Menschen führen ihr Leben, als trieben sie auf einem Boot inmitten eines riesigen Ozeans, keine Vorstellung davon, wo sie sich befinden, oder davon, wie man dieses Ding eigentlich steuert. Sie sitzen ahnungslos an Deck, geben sie sich dem Wind und den Gezeiten hin, hoffen, dass schon alles gutgehen wird und warten geduldig darauf, wo die Reise als nächstes hinführt.
Die Passage um sie herum ist völlig überfüllt von anderen Reisenden, die alle das gleiche, unbestimmte Ziel haben. Gemeinsam fühlen sich in guter Gesellschaft und sehen auf diese Weise bereits eine ganze Menge von der Welt, wenngleich die größten Wunder fernab der rauen See verborgen bleiben.
Es erfordert Mut, das Ruder in die Hand zu nehmen und die eigene Unsicherheit zu überwinden. Es brauch viel Kraft, sich gegen die Wellen zu stellen und auch im Anblick des größten Sturms den Kurs zu halten.
Doch in der Gewissheit, dass jeder Sturm auch wieder vorüberzieht und mit der Aussicht, auch jene exotischen Ziele zu erreichen, die einen selbst am meisten interessieren, lohnt sich diese Anstrengung allemal.
Ein jeder hat seine eigene Art, glücklich zu sein, und niemand darf verlangen, dass man es in der seinigen sein soll.
Das richtige Leben gibt es nicht
Um ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen, ist es wichtig, zu verstehen, dass es dafür keinen “richtigen” Weg gibt, sondern lediglich einen, auf dem man immer wieder aufs Neue abwägen muss, wohin es als nächstes gehen soll.
Abzweigungen sollten nur in der Überzeugung genommen werden, dass diese neue Richtung eine positive Veränderung bringt und nicht allein aufgrund der Tatsache, dass alle anderen sie einschlagen, oder jemand anderes sie empfohlen hat.
Es geht nicht darum, sämtliche Autorität abzulehnen. Auch nicht darum, die Erwartungen und Ratschläge anderer Menschen gänzlich zu ignorieren, sondern vielmehr darum, diese zu hören, kritisch zu bewerten und erst dann gegebenenfalls zu einem Teil von sich selbst zu machen.
Es geht darum, Erwartungen und Normen, den Status Quo infrage zu stellen und sich mit Hilfe der Antworten die wirklich eigene Persönlichkeit aufzubauen. Es geht darum, die Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen.
Erst die Balance aus Selbst- und Fremdbestimmung, mit einem deutlichen Ausschlag zu ersterem, lässt unser Leben gelingen.
Dabei werden immer wieder Fehler unterlaufen und wir begeben uns wahrscheinlich auf den einen oder anderen Irrweg, doch können wir am Ende behaupten, es waren unsere eigenen Fehler, die ihrerseits dazu beigetragen haben, einen unabhängigen Geist zu entwickeln und uns selbst zu entdecken.
Erst, wenn es egal ist, was andere von der eigenwilligen Hose halten, die wir so sehr lieben, oder dass der Nachbar ein viel größeres Auto hat und wenn es okay ist, eine mögliche Karriere für unseren Traum aufzugeben. Erst, wenn wir die üblichen Standards hinter uns gelassen und unsere eigenen definiert haben, wenn wir selbst Kapitän unseres eigenen Bootes geworden sind - erst dann sind wir wirklich frei.